Kritik

GNTM (Germany’s Next Topmodel) ist eine jährlich ausgestrahlte Casting-Show im deutschen Fernsehen. In der Sendung konkurrieren junge Teilnehmer*innen darum, “Germany’s Next Topmodel” zu werden. Dafür müssen sie verschiedene Challenges bestehen, Fotoshootings absolvieren und auf dem Laufsteg auftreten. In der Sendung geht es nicht nur darum, die Kandidat*innen bei diesem Wettbewerb zu begleiten und herauszufinden, wer von ihnen das beste Model ist – es wird auch oft über Konflikte zwischen den Teilnehmer*innen berichtet. Dieses Format zwischen Casting-Show und Reality-TV ist ziemlich erfolgreich in Deutschland, besonders bei dem jungen Publikum. Laut einer Studie von Götz (2018), schauen 92% der 16-jährigen Mädchen GNTM.

Hier soll es nicht darum gehen, diejenigen zu kritisieren, die GNTM schauen oder daran teilnehmen. Es ist aus unserer Sicht unwichtig, ob mensch die Sendung ernst nimmt, oder sie nur zum Spaß schaut. Der Fernseh- und Medienbranche ist es wichtig, dass Menschen die Sendung verfolgen, und dass es möglichst viele tun. Denn letztendlich bringt jede*r Zuschauer*in der Sendung Reichweite, Einnahmen und Einfluss. Gerade weil GNTM so extrem erfolgreich und bekannt ist, setzen wir uns kritisch mit der Sendung auseinander. Denn hier geht es nicht nur um ein paar Teilnehmer*innen, die üben, auf dem Laufsteg zu laufen und dabei möglichst “schön/attraktiv/weiblich/…” auszusehen. Es geht darum, wie FLINTA*s in der Öffentlichkeit präsentiert und bewertet werden.

Die Teilnehmer*innen bei GNTM werden nicht, wie so oft in der Sendung besprochen, für ihre “Personality” gelobt oder getadelt. Es geht nicht darum, wer von ihnen wortgewandt, gut organisiert, stark oder besonders eloquent ist. Es geht nicht darum, wer sich mit dem Charakter durchsetzen kann. Es geht einzig und allein um das Aussehen der Teilnehmer*innen und darum, was sie mit ihrem Körper tun. Es wird getestet, inwiefern sie bereit sind, ihren Körper für den Erhalt des Titels “Germany’s Next Topmodel” einzusetzen und zu benutzen. Dabei werden die Kandidat*innen wiederholt dazu gebracht, ihre persönlichen Grenzen zu überschreiten.

Es geht in der Sendung einzig und allein darum, wie die Teilnehmer*innen ihre Körper benutzen, wie die Körper geformt sind und geformt werden. Dabei sind die Körper der Teilnehmer*innen überhaupt nicht repräsentativ für die Vielfalt der Körper in Deutschland und weltweit. Die Kandidat*innen sind meist wesentlich größer und schlanker als ein Großteil der FLINTA*s, die in Deutschland leben.

Trotzdem wird den Zuschauer*innen der Sendung vermittelt: Das hier sind Vorbilder. Das hier sind schöne, attraktive Models, dieses Aussehen ist erstrebenswert. Die Menschen, die die Sendung schauen, haben also Vorbilder, deren Aussehen in den allermeisten Fällen für sie unerreichbar ist. Trotzdem kommt es zu Nachahmung, und viele der Zuschauer*innen entwickeln bei regelmäßigem Schauen der Sendung eine Essstörung (Götz 2018).

Dazu kommt seit diesem Jahr der Fokus auf das neue „Diversity Image“, welches beweisen soll, wie divers GNTM sei. Dabei werden Abweichungen von der Norm jedoch so sehr hervorgehoben, dass klar wird: Hier geht es nicht darum, die bestehenden Schönheitsnormen zu verändern, sondern auf den Diversitäts-Zug aufzuspringen, um höhere Einschaltquoten zu generieren und damit schlussendlich mehr Profit zu machen. Die Message ist: „Schaut her, sogar Tätowierte, Schwarze, Lesben und Feminist*innen dürfen als Models ins Fernsehen – obwohl sie Tätowierte, Schwarze, Lesben und Feminist*innen sind. Hui!“ (PinkStinks 2021).

GNTM macht FLINTA*s zu Objekten, deren einzige Qualität das Aussehen ist. Sie werden so sehr auf ihre Körper reduziert, dass andere Aspekte des Charakters und des menschlichen Seins völlig in den Hintergrund treten. Die Teilnehmer*innen werden nach ihrem Aussehen bewertet, kategorisiert, gelobt oder abgelehnt. Das Bild, das sich mir als Zuschauer*in vermittelt, ist: Je dünner, desto schöner. Je mehr ich mich ausziehe, desto besser. Je blonder, desto attraktiver. Je „professioneller“ mein MakeUp, desto mehr bin ich wert. Je dominanter ich den Laufsteg des Lebens beschreite, desto besser. Gleichzeitig machen sich die Juror*innen über die Teilnehmer*innen lustig, erniedrigen und beleidigen sie. Es ist erschreckend, zu sehen, wie die Models dabei entmenschlicht werden.

Wir haben das Jahr 2021. FLINTA*s erleben täglich sexualisierte Gewalt und die Reduzierung ihrer Person auf ihr Äußeres, auf ihr Aussehen, auf ihr Gewicht, auf ihre Behaarung. Und obendrauf gibt es diese menschenverachtende Sendung, die weiterhin nur danach fragt: Wer ist von ihnen ist am schönsten?


Quellen:

Götz, Maya (2018): Der Gedanke, „zu dick zu sein“ – Fernsehen und seine Bedeutung für das Körperempfinden von Mädchen, HiBiFo, S. 75-89. https://doi.org/10.3224/hibifo.v7i2.06.

PinkStinks (2021): GNTM: Diversity nur für die Quote. https://pinkstinks.de/gntm-diversity-nur-quote/ [28.03.21].